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News: Erhellender Ausbruch

Gammastrahlenausbrüche gehören zu den energiereichsten Explosionen im Universum, doch stellen sie gleichzeitig auch eines der größten Rätsel der modernen Astronomie dar. Denn bisher war ihr Ursprung ungewiss: Sind es Neutronensterne, die zusammenstoßen, oder ist eine Supernova für das Ereignis verantwortlich? Die Auswertung eines besonders langen Ausbruchs bestätigt nun zumindest für einen Fall die zweite Annahme.
Gammastrahlenausbruch
Es war im Jahr 1967, als Wissenschaftler erstmals Gammastrahlenausbrüche entdeckten. Die Beobachtung geschah eher zufällig, als Satelliten, die eigentlich nach Verstößen gegen das Atomversuchsverbot Ausschau hielten, starke Gammastrahlenemissionen registrierten, die nicht aus erdnahen Quellen, sondern aus dem fernen Weltraum stammten. Bis heute ist dieses Phänomen rätselhaft.

Denn drei Jahrzehnte lang war noch nicht einmal bekannt, ob sich die Explosionen in unserer Nachbarschaft, das heißt in unserer Milchstraße, oder in fernen Galaxien ereignen. Daraufhin richteten die Astronomen ein "Alarmsystem" ein, das rechtzeitig ein solches Ereignis meldet, sodass sich andere Teleskope sofort auf diesen Ort am Himmel ausrichten können. Mittlerweile steht fest, dass diese Ausbrüche in Millionen Lichtjahre entfernten Galaxien stattfinden.

Doch was verursacht die energiereichsten Explosionen im Universum? Zwei Hauptverdächtige kamen bislang in Frage: zum einen der Zusammenstoß zweier Neutronensterne, zum anderen der Tod eines sehr massereichen Sterns in einer Supernova-Explosion. Die Frage ist nicht leicht zu klären, denn die energiereichen Ausbrüche können zwar mehrmals täglich auftreten, dauern aber nie länger als einige Minuten. Ferner ist nicht vorhersehbar, wann oder wo der nächste auftreten wird. Folglich lassen sie sich nur schwer untersuchen.

Am 11. Dezember 2001 um 19:09:21 Uhr Weltzeit ereignete sich dann aber der mit 270 Sekunden bislang längste Ausbruch, den ein Satellit bis dato erfasst hatte. Der italienisch-niederländische Satellit BeppoSAX hielt das Ereignis fest. Einige Stunden später, als eine erste Analyse bestätigte, dass tatsächlich ein Gammastrahlenausbruch stattgefunden hatte, alarmierte das BeppoSAX-Team die übrigen Astronomen, und so kam elf Stunden nach dem ursprünglichen Ereignis das Teleskop XMM-Newton zum Einsatz. Hätten die Astronomen nur fünf Stunden später reagiert, wäre der Einsatz von XMM-Newton zu spät gekommen; so hatten sie Glück und konnten das Nachleuchten untersuchen, als es im Röntgenlicht noch sieben Millionen mal heller war als eine ganze Galaxie.

Laut Fred Jansen werden Untersuchungen dieser Art durch die einzigartige Sammelfläche und Empfindlichkeit von XMM-Newton ermöglicht. Die Erdatmosphäre verhindert die Beobachtung von Röntgenstrahlen mit bodengestützten Instrumenten, und kein anderes im Einsatz befindliches Weltraumteleskop hätte dieses Nachleuchten eines Gammastrahlenausbruchs mit vergleichbarer Güte untersuchen können. Es war damit das dritte Mal, dass XMM-Newton den Schein eines Gammastrahlenausbruchs zu orten versuchte – die Ergebnisse der ersten beiden Beobachtungen waren jedoch nicht sonderlich erhellend.

Dieses Mal konnten die Wissenschaftler um James Reeves von der University of Leicester jedoch zwei wichtige Beobachtungen machen: Erstens bewegte sich die Materie aus der Quelle rasch – mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit – auf die Erde zu; zweitens ergab die chemische Analyse der Materie, dass es sich um Überreste einer Supernovaexplosion handeln musste. "Wir sahen eine sphärische Hülle von Materie, die von einer sehr jungen Supernova ausgestoßen und durch den Gammastrahlenausbruch aufgeheizt wurde. Dass sich die Materie auf uns zu bewegte, ließ darauf schließen, dass sie expandierte", erläutert der Astronom Norbert Schartel.

XMM-Newton entdeckte außerdem große Mengen von Magnesium, Silicium, Schwefel, Argon und Calcium, aber sehr wenig Eisen. Solche Elemente bringt ein massereicher Stern in den letzten Stadien seiner Entwicklung hervor, kurz bevor er als Supernova explodiert. Bei den Kernreaktionen in Sternen werden leichte chemische Elemente zu schwereren verschmolzen – ein Vorgang, der die zum Leuchten benötigte Energie erzeugt; in jedem Entwicklungsstadium der Sterne werden dabei andere Elemente synthetisiert. Die Supernova-Explosion hat diese Materie in die Umgebung ausgestoßen und damit die sphärische Hülle erzeugt, die das Nachleuchten des Gammastrahlenausbruchs schließlich erhellte.

Die Astronomen konnten sogar die Ausdehnung der Hülle messen: Sie hatte einen Radius von zehn Milliarden Kilometer. Hieraus und aus der beobachteten Geschwindigkeit der Materie ließ sich abschätzen, dass die Supernova-Explosion einige Tage vorher stattgefunden haben musste. Dieser zeitliche Abstand steht mit der festgestellten geringen Menge an Eisen im Einklang, da dieses Element erst etwa zwei Monate nach der Explosion in der durch die Supernova ausgestoßenen Materie entsteht.

Die Messdaten zeigen auch, warum man die Annahme eines Zusammenstoßes zwischen Neutronensternen als mögliche Ursache ausschließen kann. "Bei einem solchen Ereignis wäre nicht genügend Materie (beispielsweise Magnesium) in das umgebende Medium ausgestoßen worden, um die beobachtete Erscheinung zu erklären", so Schartel. Der theoretisch denkbare Zusammenstoß zwischen Neutronensternen würde auch nicht das verhältnismäßig geringe Vorkommen von Eisen erklären. Sterne werden erst nach einer Supernova zu Neutronensternen, doch nimmt dieser Übergang viele Jahre und nicht nur einige Tage in Anspruch.

"Nun sind wir der Lösung des Geheimnisses dieser energiereichen Phänomene mindestens einen Schritt näher gekommen", freut sich Jansen. Doch bleiben noch genügend Fragen offen. Zum Beispiel die, warum solche Ausbrüche nicht auf alle Supernova-Explosionen folgen. Auch ist nicht bekannt, welcher physikalische Mechanismus sie auslöst.

Im Oktober dieses Jahres startet die ESA eine Weltraummission, die sich mit diesen Fragen befassen soll. Das Internationale Gammastrahlen-Astrophysiklabor (INTEGRAL) wird als das bisher empfindlichste Gammastrahlenobservatorium die von heftigen Ereignissen in größter Entfernung ausgehende Strahlung aufspüren.

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