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Große Magellansche Wolke: Die erste stellare Staubscheibe in einer anderen Galaxie

In der Großen Magellanschen Wolke wurde erstmals eine Scheibe aus Gas und Staub um einen Stern außerhalb des Milchstraßensystems beobachtet. In ihr könnten Planeten entstehen.
Illustration der Akkretionsscheibe um den Stern HH 1177
So könnte die Scheibe aus Gas und Staub um den Stern HH 1177 in der Großen Magellanschen Wolke aus der Nähe aussehen (Illustration).

Auch in Galaxien jenseits unseres Milchstraßensystems sind junge Sterne von flachen Scheiben aus Gas und Staub umgeben, wie Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) und dem Radioteleskopverbund ALMA der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile zeigen. Dies war schon sehr lange vermutet worden, aber jetzt gibt es erstmals einen handfesten Beweis dafür. Um den Stern HH 1177 in der Großen Magellanschen Wolke, einem Begleiter unserer Galaxis in rund 160 000 Lichtjahren Entfernung, wurde eine solche Akkretionsscheibe direkt nachgewiesen. Darüber berichtet ein Team um Anna F. McLeod von der britischen Durham University im Fachjournal »Nature«.

HH 1177 ist ein heller, massereicher Stern des Spektraltyps B und weist etwa zwölf Sonnenmassen auf. Die Abkürzung HH steht für Herbig-Haro-Objekt, benannt nach den beiden US-amerikanischen Astronomen George Herbig und Guillermo Haro, die in den 1940er Jahren unabhängig voneinander solche Objekte beobachtet und beschrieben haben. Bei einem Herbig-Haro-Objekt wird in Richtung der Rotationspole des Sterns senkrecht zur Akkretionsscheibe heißes, ionisiertes Gas mit hohen Geschwindigkeiten in einem eng begrenzten Strahl, einem Jet, ausgestoßen. Treffen diese Jets auf das umgebende interstellare Medium, so schieben sie das dortige Gas zusammen und erzeugen dabei Stoßfronten, die zum Leuchten im sichtbaren Licht und anderen Wellenlängen angeregt werden.

HH 1177 befindet sich in einer Gas- und Staubwolke mit der wenig eingängigen Katalogbezeichnung LHA 120-N 180B, die sich über mehrere hundert Lichtjahre in der Großen Magellanschen Wolke erstreckt. Die beiden Jets von HH 1177 sind zusammen etwa 36 Lichtjahre lang. Sie waren schon vor längerer Zeit bei der Durchmusterung unserer Nachbargalaxie registriert worden und in den Katalog der Herbig-Haro-Objekte mit der Nummer 1177 eingetragen worden. Herbig-Haro-Objekte finden sich nur bei sehr jungen Sternen, die noch von der Materie umgeben sind, aus der sie sich gebildet haben. Somit bestand hier eine gute Chance, eine Akkretionsscheibe aus Gas und Staub zu finden.

Die Scheibe um HH 1177 | Mit dem Spektrografen MUSE am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO und dem Radioteleskopverbund ALMA entstanden die Ansichten des Stern HH 1177 in der Großen Magellanschen Wolke, einem Begleiter unseres Milchstraßensystems. Links ist der Nebel mit der Katalogbezeichnung LHA 120-N 180B zu sehen, in der Mitte das nähere Umfeld um HH 1177, die roten und blauen Linien sind Gasstrahlen (englisch: jets), die vom Stern mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen werden. Der blaue Jet ist auf uns gerichtet, während der rote von uns wegweist. Im Detailbild rechts sind ALMA-Daten eingefügt, wo wiederum blau für Materie steht, die sich auf uns zubewegt, während sich die roten Bereiche von uns entfernen. Sie zeigen an, dass sich hier eine rotierende Scheibe befindet, die sich um den Äquator von HH 1177 erstreckt.

Um dieses Objekt genauer unter die Lupe zu nehmen, setzte die Gruppe um McLeod dafür sowohl den Präzisionsspektrografen MUSE, den Multi Unit Spectroscopic Explorer am VLT und den Radioteleskopverbund ALMA ein. Und tatsächlich zeigten die Daten von ALMA, dass sich im Zentrum von HH 1177 eine rotierende Scheibe befindet, die den Stern umgibt. Sie zeigt das typische Verhalten, wie es aus unserer näheren kosmischen Umgebung wohl bekannt ist. Nahe zum Stern rotiert die Scheibe schneller als in ihren Außenbereichen, und es gibt Regionen in der Scheibe, die sich etwas auf uns zubewegen, und andere, die sich von uns entfernen. Diese Bewegungen lassen sich durch den Dopplereffekt nachweisen. Bewegt sich ein Teil der Scheibe auf uns zu, so wird die von ihr abgegebene Strahlung geringfügig zu kürzeren Wellenlängen verschoben, es erscheint blauverschoben. Entfernt sich dagegen ein Teil der Scheibe von uns, so wird die Strahlung zu längeren Wellenlängen verschoben, es wird rotverschoben. Diese geringfügigen Änderungen der Wellenlänge ließen sich mit ALMA nun direkt messen.

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