Direkt zum Inhalt

Editorial


Liebe Leserinnen, liebe Leser


Es wäre vermessen, zu sagen, daß Querschnittlähmung bald geheilt werden könnte. Doch scheint sich eine Wende für diese bislang aussichtslose Krankheit anzubahnen. Weltweit arbeiten Forscher intensiv daran, die Folgeschäden von Rückenmarksverletzungen einzudämmen und einen Weg zu ihrer Heilung zu finden. Darauf hoffen allein in Deutschland hunderttausend Querschnittgelähmte, die sich zu Hause selbst versorgen, und noch einmal so viele mit Lähmungsfolgen durch andere Krankheiten wie Multipler Sklerose. Jährlich erleiden vor allem durch Verkehrs- und Sportunfälle rund 1500 Menschen Querschnittlähmungen. Allein deren umfassende Erstversorgung in den 21 deutschen Spezialzentren verschlingt pro Jahr fast eine halbe Milliarde Mark.

Kurieren ließe sich die Durchtrennung des Rückenmarks nur, wenn die zahllosen unendlich feinen Nervenfasern wieder nachwachsen und die richtigen Kontakte knüpfen würden. Doch nimmt sich die Aufgabe, Gehirn und den Rest des Körpers erneut miteinander kommunizieren zu lassen, naturgemäß weit komplizierter aus als etwa nur die Kupferdrähte eines gekappten Telephonkabels zu reparieren.

Immerhin gibt es Fortschritte: Nervenfasern des Rückenmarks lassen sich regenerieren, verlorene Funktionen mitunter wieder herstellen – doch nur in wenigen Fällen, zudem bislang ausschließlich bei Mäusen. Den kleinen Nagern hilft dabei ein Antikörper, der die Wachstumshemmung der Fasern aufhebt. Nach einigen Wochen konnte ein Versuchstier wieder ein Seil hochklettern. Die Wissenschaftler, die diesen Erfolg erzielten, schildern das Experiment in ihrem Beitrag ab Seite 26. Durchgeführt wurde das Projekt im Rahmen des internationalen Forschungskonsortiums der Christopher-Reeve-Paralyse-Stiftung, benannt nach dem Schauspieler Reeve ("Superman"), der sich 1995 bei einem Reitunfall eine Querschnitt-lähmung zugezogen hatte.

In ihrem Beitrag beschreiben die Forscher, wie sie darum kämpfen, die durchtrennten Nervenfasern des Rückenmarks auch beim Menschen wieder zum Wachstum anzuregen. Konkretere Hoffnungen gibt es bereits im Falle der häufigen Selbstzerstörung des Nervengewebes über die ursprüngliche mechanische Verletzung hinaus. Die wird sich in naher Zukunft wohl eindämmen lassen. Eine vollständige Heilung von Querschnittlähmungen liegt zwar noch in weiter Zukunft. Doch die Entwicklung ist vielversprechend: "Viel von dem, was wir hier berichten", notieren die Mediziner, "galt vor zehn Jahren noch als reine Science-fiction."


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2000, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.