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Anspruchsvolle Einführung

Es ist der größte Traum der modernen Physik: die Welt mit all ihren Vielfältigkeiten aus einer einzigen Theorie heraus zu beschreiben. Aber dieser Traum zeigt sich seit Jahrzehnten in seiner Umsetzung mit fundamentalen Schwierigkeiten behaftet. So beschreibt die allgemeine Relativitätstheorie hervorragend, was sich im All abspielt – von den glühenden Sonnen bis zu den Schwarzen Löchern, in denen die Zeit stehen bleibt. Für den Mikrokosmos jedoch ist eine andere Theorie zuständig: die Quantenmechanik. Sie beinhaltet uns ungewohnt und seltsam anmutende Phänomene wie Verschränkung oder Tunneleffekt. Beide produzieren überprüfbare Aussagen, die bislang jedem Test Stand halten. So gut aber diese Theorien in ihrem Bereich funktionieren – im jeweils anderen Bereich versagen sie und schließen einander aus.

Einen Weg aus dieser Krise – eine Brücke zwischen Gravitation und Quantenphysik – könnte der so genannte "Quantenkosmos" bieten, den Claus Kiefer in seinem gleich lautenden Buch beschreibt. Der Autor, Professor für Theoretische Physik an der Universität Köln und unter anderem durch seine verständlichen Beiträge in Zeitschriften wie dem "Physik Journal" bekannt, zieht in diesem Buch den Leser, ob Laie oder Fachmann, mit anschaulichen Erklärungen in seinen Bann und nimmt ihn mit auf eine spannende Reise durch Relativitätstheorie und Quantenmechanik bis hin zur Theorie der Quantengravitation.

Die Probleme, die innerhalb der großen Säulen der Physik – der Quantenmechanik, der Relativitätstheorie und der statistischen Physik – auftreten, stehen in den ersten Kapiteln auf seiner Agenda. Warum es beispielsweise einen Zeitpfeil gibt, obwohl alle Gesetze zeitsymmetrisch sind, und warum die Welt daher nicht vielmehr zeitlos ist, erklärt er hier ebenso wie das Wesen von Schwarzen Löcher, was Dunkle Energie bewirkt und was es eigentlich mit Schrödingers Katze sowie dem Übergang zwischen Mikro- und Makrokosmos auf sich hat. Dies alles wird für den Leser sowohl in seiner historischen Entwicklung als auch in seiner heutigen Problematik treffend dargestellt.

Anschließend gelangt der Autor zu einem ersten Überblick: Welche Struktur gebenden Prinzipien liegen der Theorie des Makro- und Mikrokosmos zu Grunde? Lassen sich Determinismus und Indeterminismus in einer Theorie erfassen? Warum widersetzen sich beide Theorien einer einheitlichen Beschreibung? Was will die Stringtheorie erreichen? So spannend das Thema ist, hier mutet Kiefer dem Leser einiges zu. Da wird durchaus begründet, warum die Stringtheorie in elf Dimensionen formuliert sein muss und wie sich das physikalisch ausprägt. Auch Instantonen, Branen und ähnliche mathematisch topologische Gebilde werden locker eingeführt und verwendet – ein anspruchsvolles Konzept, für dessen wirkliches Verständnis der Leser fundierte Kenntnisse der Physik mitbringen sollte.

Zuletzt mündet das Buch in einem Vorschlag, wie möglicherweise Quantenbeschreibung und Weltall durch eine Theorie beschrieben werden könnten. Dabei erläutert Kiefer, wie es aussieht und was geschieht, wenn man die Theorie der Quantengravitation auf verschiedene Modelle des Universums anwendet. Parallelwelten, das anthropische Prinzip und zeitlose Hyperuniversen werden hierbei diskutiert – die große Menge an Literaturhinweisen erweist sich dabei als äußerst nützlich und leitet den interessierten Leser in tieferes Fahrwasser.

Bei aller Begeisterung, die ich persönlich einem so schönen Übersichtswerk entgegenbringe, darf man jedoch nicht aus den Augen verlieren, dass der Autor Grundkenntnisse in Physik voraussetzt und nicht jeden Fachterminus ausführlich genug erklärt, um das Buch als Anfängerlektüre zu bezeichnen. Gerade in den Kapiteln über Stringtheorie und Quantengravitation, die gewissermaßen das Herzstück des Buches darstellen, wird manch physikalisch nicht vorgebildeter Leser sicherlich enttäuscht das Buch beiseite legen. Hat man jedoch Mut und Zeit, sich mit den angegebenen Literaturhinweisen selbst tiefer einzuarbeiten, dann liegt mit Kiefers Buch eine der spannendsten populärwissenschaftlichen Übersichten über den derzeitigen Stand der Weltformel vor.

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