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Drei Töne Blau

Als ich Hinderk Emrichs Hörbuch "Ist mein Blau dein Blau?" in der Hand hielt, erinnerte mich das Cover an das Buch "Der kleine Prinz". Sie erinnern sich vielleicht an die Stelle im Buch, in der Antoine de Saint-Exupéry die Skizze eines Elefanten in einer Schlange zeigt: Genau dieses Bild habe ich mit dem Titelblatt der CD in Verbindung gebracht. Diese Cover-Abbildung ist jedoch gelb und daneben steht "Gitarre" – was ein erster Hinweis auf das Thema ist. Denn es geht um neurophysiologische Überlegungen zur Synästhesie und die Menschen, die davon betroffen sind.

Was aber ist ein Synästhetiker oder eine Synästhetikerin? Sie besitzen eine besondere Gabe: Sie "hören" Farben oder sehen Figuren und Formen, die sie mit angenehmen oder unangenehmen Gefühlen verbinden. Es ist eine Wahrnehmung im Bereich des Sinnlichen, die mit anderen Sinneseindrücken kombiniert werden -so spricht man zum Beispiel von Ton-Farbe-Synästhesie. Diese Wahrnehmung ist unverwechselbar, hält eine Leben lang, und es handelt sich immer um die Erfahrung eines Sinnlichen.

Menschen mit solchen Eigenschaften fühlen sich oft allein, denn ihre Wahrnehmungswelt ist eine andere, die Mitmenschen nicht kennen und auch nicht verstehen. Das beschreiben auch die Porträts der Menschen, die auf dieser CD ihre persönliche Geschichte erzählen. Interessant ist, dass Frauen viel häufiger betroffen sind als Männer, und es ist erstaunlich, dass es über mehrere Generationen zu verfolgen ist. Aber das "Lexikon" der Wahrnehmungen, so Emrich, ist bei jedem Menschen verschieden: Für die Mutter kann "A" rot sein, für die Tochter ist es gelb und für das Enkelkind eher grün.

Heute ist die Synästhesieforschung einer der Herausforderungen der Naturwissenschaften, vor allem der Neurobiologie und Medizin. Wie kommt es zu dieser "Gabe"? Liegt es an den Genen oder doch eher an den Umwelteinflüssen? Bekannt ist diese Wahrnehmungseigenschaft jedenfalls schon länger , und es tauchen bereits erste Anzeichen dazu in der romantischen Naturphilosophie auf, die schon Synästhesien entdeckte und gesammelt hat, sie aber leider wieder vergessen hat. Im beginnenden 20. Jahrhundert wurde dann unter Wilhelm Wund die messende Psychologie eingeführt, und die subjektive Eigenwelt in allen Bereichen des Lebens wie der Literatur, der Musik und der Kunst aufgedeckt.

In den 1990er Jahren haben sich die Forscher dann noch tiefer in diese Thematik eingearbeitet. Mittels der bildgebenden technischen Verfahren konnte man feststellen, welche Gehirnareale für die Synästhesie zuständig sind. Dieses Wahrnehmungssystem muss in der Lage sein, komplexe Wahrnehmungen zu verbinden, was der Mensch mit seinem weit fortgeschrittenen Gehirn gut kann.

In einer Gesamtspielzeit von 65 Minuten, die einem viel kurzweiliger erscheint, schildert und beschreibt Emrich in einer klaren und sehr verständlichen Sprache, als würde er einem gegenüber sitzen, Interessantes über die etwas andere Art, Dinge wahrzunehmen. Für mich brachte das Hörbuch viel Neues, das mir in dieser Form bisher nicht bekannt war: ein sehr interessantes und empfehlenswertes Werk.

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