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Jahresrückblick: Genau hingeschaut

Inzwischen sind mehrere hundert Exoplaneten bekannt, ohne dass jemand sie je zu Gesicht bekommen hätte. In diesem Jahr gingen Astronomen endlich einen Schritt weiter und fotografierten erstmals eine extrasolare Welt. Aber auch den Rest des Universums verloren sie nicht aus den Augen - neuem Spähernachschub sei Dank.
Oftmals mangelt es in der Wissenschaft nicht an den guten Ideen, sondern schlichtweg an den technischen Möglichkeiten. Beispielsweise im Fall der Exoplaneten: Theoretisch hatte man schon lange erkannt, dass Begleiter ferner Sonnen messbare Spuren in deren Spektren hinterlassen. Die Teleskope brauchten hingegen bis zum Jahr 1995, um den ersten Planeten um einen sonnenähnlichen Stern nachzuweisen. In diesem Jahr gab es endlich wieder eine Premiere: das erste Foto einer extrasolaren Welt.

Zwar lichteten Astronomen seit 2004 schon einige Male etwas Planetenähnliches in weiter Ferne ab, doch entweder war der Mutterstern nichts weiter als ein Brauner Zwerg, oder aber die Zugehörigkeit zum System konnte nicht bewiesen werden. Einen solchen Kandidaten verkündeten einige Forscher im September: Um den rund 500 Lichtjahre entfernten Stern 1RXS J160929.1-210524 soll ein potenzieller Trabant seine Runden drehen. Dabei ist er elfmal weiter von seinem Zentralgestirn entfernt als Neptun, der äußerste Planet in unserem System.

Aufgeblasenes Sonnensystem? | So könnten die Planeten um den 130 Lichtjahre entfernten Stern HR 8799 im Vergleich zu unserem Sonnensystem angeordnet sein. Ein dem "heimischen" Kuipergürtel ähnlicher Ring soll auch ihn umspannen (in beiden Illustrationen rot eingefärbt). Auf Infrarotbildern ließen sich hier gleich drei Gasriesen auffinden.
Zwei Monate später dann die "echten" Sensationen: Einige Pixel, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble, zeigen einen Planeten um den 25 Lichtjahre entfernten Stern Fomalhaut im Sternbild Südlicher Fisch. Außerdem enthüllen Infrarotbilder, geschossen am Keck-Observatorium und am Gemini-North-Teleskop in Hawaii, gleich drei Gasriesen um den 130 Lichtjahre entfernten Stern HR 8799 in der Konstellation Pegasus. Die abgelichteten Planeten wiegen nur wenige Jupitermassen, während ihre Muttersterne wesentlich jünger, heißer und massereicher als unsere Sonne sind.

Einige Tage später kam bereits ein weiteres Astronomenteam mit einem möglichen Exoplaneten-Schnappschuss – diesmal aufgenommen mit dem Very Large Telescope in Chile. Um den rund 70 Lichtjahre entfernten Stern Beta Pictorus soll vergleichsweise eng – in ähnlichem Abstand wie Saturn um unsere Sonne – ein Gasriese kreisen. Auf dem Infrarot-Bild zeigt sich tatsächlich ein kleiner, schwach leuchtender Kreis im Halo des Sterns. Doch auch hier ist noch nicht eindeutig geklärt, ob der Himmelskörper zum System gehört.

Neues über die Heimatgalaxie

Insgesamt erreichte die Zahl der bekannten Exoplaneten in diesem Jahr die Schnapszahl 333. In den kommenden Jahren dürfte die Zahl weiter anwachsen, denn allein die Milchstraße zählt rund 200 Milliarden Sterne. In 20 bis 40 Millionen Jahren könnten übrigens Hunderttausende von weiteren Gestirnen hinzukommen. Denn eine riesige Wolke aus Wasserstoffgas, die in diesem Moment mit mehr als 240 Kilometer pro Sekunde auf unsere Heimatgalaxie zurast, wird dann mit ihr zusammenstoßen. Gut, dass die Erde weit vom Ort des Geschehens entfernt ist.

Die Milchstraße, Stand: 2008 | Neuesten Forschungsergebnissen zufolge weist die Galaxis zwei prägnante Spiralarme auf (Perseus und Schild-Zentaur) sowie zwei weniger auffällige: Vom Sagittarius-Arm im Sternbild Schütze zweigt der Orion-Ausläufer ab, in dem sich unsere Sonne befindet; der Norma-Arm im Sternbild Winkelmaß geht in den Äußeren Arm über. Am zentralen Balken findet sich zum "nahen" Drei-Kiloparsec-Arm noch ein Pendant auf der "fernen" Seite.
Und es gab noch weitere Neuigkeiten über die Galaxis: Nachdem Astronomen mit dem Weltraumteleskop Spitzer die Verteilung von mehr als 100 Millionen Sternen untersucht hatten, verkündeten sie, dass die Milchstraße nur zwei statt wie bisher angenommen vier große Spiralarme besitzt. Gleichzeitig stießen sie auf einen neuen, kleinen Spiralarm, der vermutlich das Pendant zu einem bereits vor 50 Jahren entdeckten Ausläufer auf unserer Seite des Systems ist.

Eine umfassende Himmelsdurchmusterung im Rahmen des Slown Digital Sky Survey offenbarte zudem, dass die Galaxis nur rund halb so massereich ist wie bislang vermutet: "lediglich" 1000 Milliarden Sonnenmassen. Das letzte Wort ist hier aber wohl noch längst nicht gesprochen. Auch wenn wir inzwischen problemlos Bilder von fernen Galaxien erhaschen können, bleibt uns der Überblick bei unser eigenen leider verwehrt – schließlich stecken wir mittendrin.

Leben auf dem Mars?

Damit wir auch in Zukunft mehr über unsere und andere Sternsysteme erfahren, entsandten die Weltraumagenturen auch dieses Jahr zahlreiche Instrumente ins All. Im Raumfahrt-Rampenlicht stand dieses Jahr Phoenix. Am 25. Mai landete die kleine Sonde in der Nordpolarregion des Mars, fotografierte fortan ihre Umgebung und untersuchte den Marsboden. Wie in den 1970er Jahren die Viking-Missionen sollte sie nun mit Hilfe von chemischen Analysen mehr über die Zusammensetzung und vor allem über die geologische Vergangenheit des Roten Planeten herausfinden.

Phoenix: Die Sonne geht unter | Die Marssonde Phoenix hat ihr letztes Lebenszeichen von sich gegeben – die tief stehende Sonne auf dem nördlichen herbstlichen Mars lädt die Batterien des Landers nicht mehr ausreichend auf. Die Mission, die am 25. Mai 2008 mit der geglückten Landung begann, endet nun offiziell nach 152 Marstagen.
Ende Juli war es dann so weit: Nach mehreren Pannen zeigte sich im Massenspektrometer zweifelsfrei Wasserdampf. Nebenher stieß Phoenix auch auf fest in Mineralen gebundenes Kristallwasser und Kohlendioxid. Zudem gelang der Nachweis von Tonmineralen und Kalkspat, die sich nur unter Einfluss flüssigen Wassers bilden. Und auch verschiedene Salze deuten als Verdunstungsspuren auf eine tatsächlich nasse Marsgeschichte.

Organische Moleküle fand Phoenix hingegen keine – um vergangenes Leben auf dem Mars steht es also schlecht. Das unterstützt auch der Fund von giftigem Perchlorat-Salz, das Kohlenstoffverbindungen zersetzen würde. Leider konnten viele der geplanten Experimente entweder überhaupt nicht oder nur abgewandelt durchgeführt werden. Am 2. November funkte Phoenix dann das letzte Signal zur Erde – zwei Monate später als eigentlich angedacht.

Merkurs unbekannte Seiten

Einen weiteren Reiseweg als Phoenix hatte die Raumsonde Messenger, die dieses Jahr Merkur erreichte und gleich zweimal dicht an ihm vorbeiflog. Im Januar und Oktober näherte sich die Raumsonde dem Himmelskörper bis auf 200 Kilometer und sammelte währenddessen eifrig Daten und Fotos – insgesamt sind nun rund 90 Prozent der kraterzerfurchten Oberfläche abgelichtet.

Merkur kurz nach dem zweiten Vorbeiflug von Messenger | Rund 90 Minuten nach der dichtesten Annäherung an Merkur am 6. Oktober 2008 nahm die Weitwinkelkamera der US-Raumsonde Messenger diese Gesamtansicht des Planeten aus einem Abstand von rund 27 000 Kilometern auf. Die kleinsten erkennbaren Details sind rund fünf Kilometer groß. Auffällig sind die hellen Krater, von denen lange Strahlensysteme ausgehen. Sie erstrecken sich über Tausende von Kilometern und sind ein Kennzeichen für geologisch junge Einschlagkrater.
Die letzte Raumsonde – Mariner 10 – kam vor 33 Jahren zu Besuch und fotografierte in deutlich schlechterer Qualität nicht einmal die Hälfte des sonnennächsten Planeten. Messenger verschärfte nun die Sicht. Auf den Bildern finden sich eindeutige Belege für Vulkanismus auf Merkur, was die Forscher überraschte. Denn wegen seiner geringen Größe und Masse sollte jede geologische Aktivität seit Langem beendet sein.

Bereits die Aufnahmen von Mariner 10 zeigen viele Bruchlinien, Falten und andere Furchen auf dem Planeten. Wissenschaftler schlossen damals, dass sich seine Oberfläche vermutlich zusammenzog, als der eisenreiche Kern abkühlte. Den neuen Daten zufolge waren die durch diesen Prozess erzeugten Spannungen an der Oberfläche rund ein Drittel größer als bisher angenommen.

Die alte Marssonde hatte in den 1970er Jahren zudem ein schwaches Magnetfeld bemerkt – nur etwa ein Prozent der Feldstärke des irdischen Magnetfelds. Doch erst Messenger konnte beweisen, dass dieses tatsächlich durch einen flüssigen Eisenkern erzeugt werden muss – wie bei der Erde – und nicht durch magnetische Minerale in der Kruste. Nach einem dritten Vorbeiflug im September 2009 soll die Sonde dann im März 2011 in eine Umlaufbahn um Merkur einschwenken und noch mehr über seine Eigenarten herausfinden.

Himmel im Gammalicht | Bild des gesamten Himmels im Gammalicht, aufgenommen vom Large Area Telescope des Weltraumteleskops Fermi. Gas und Staub der Milchstraße erscheinen hier als heller Gürtel, während ober- und unterhalb mehrere einzelne Gammaquellen zu finden sind.
Einige hundert Kilometer über der Erde schwebt seit dem 11. Juni hingegen das Weltraumteleskop Glast, das inzwischen den Namen Fermi trägt. Nicht etwa, um unseren Planeten, sondern um das Universum im Bereich der Gammastrahlung zu erforschen und dabei unter anderem Explosionen massereicher Sterne, aktive Schwarze Löcher oder die Kollisionen von Neutronensternen aufzuspüren. Schon jetzt wiesen Forscher mit seiner Hilfe mehrere Gammastrahlenausbrüche und rotierende Neutronensterne im fernen Universum nach. Darunter ein Exemplar, das womöglich einer neuen Klasse von Pulsaren angehören könnte.

Ein Jahrzehnt im All

Seit inzwischen zehn Jahren kreist – etwas tiefer als Fermi – auch die Internationale Raumstation ISS um die Erde. Am 20. November 1998 war das erste Bauteil mit einer russischen Proton-Trägerrakete in den Orbit gelangt. Seit 2000 sind stets mehrere Astronauten aus aller Herren Länder an Bord der ständig wachsenden Station. Im Februar 2008 dockte nach zahlreichen Verzögerungen dann endlich auch das europäische Weltraumlabor "Columbus" an.

Weltraumlabor Columbus | Mit einer geplanten Nutzungsdauer von zehn Jahren ist Columbus das erste europäische Raumlabor für die Langzeitforschung unter Weltraumbedingungen.
In dem sieben Meter langen Modul sollen unter anderem die Eigenschaften von Flüssigkeiten und die Folgen der Schwerelosigkeit auf Zellen, Pflanzen und Tiere, aber auch auf den menschlichen Körper untersucht werden. Über den Verlauf der Experimente ist bis jetzt allerdings nichts in Erfahrung zu bringen. Da das Labor die Astronauten für zehn Jahre begleiten soll, ist aber noch jede Menge Zeit.

Für Europas ersten Weltraum-Transporter, der im März zur Internationalen Raumstation aufbrach, ist die Zeit hingegen bereits um. Das "Automated Transfer Vehicle" (ATV) – "Jules Verne" getauft – hat die ISS mit Gütern versorgt. Der Frachter flog selbstständig zur Station, dockte dort automatisch an und diente monatelang als Vorratslager und Müllcontainer. Ende September stürzte er zusammen mit rund zweieinhalb Tonnen Abfall in die Erdatmosphäre über dem Südpazifik, zerbarst und verglühte größtenteils.

Künstliche Sternschnuppen | Mit einer Geschwindigkeit von 70 Meter pro Sekunde schoss das ATV in die Erdatmosphäre. 75 Kilometer über der Oberfläche zerbröckelte "Jules Verne", und seine Überreste verglühten größtenteils durch die enorme Hitze, wie hier zu sehen. Die verbleibenden Teile fielen etwa zwölf Minuten später in den Pazifischen Ozean.
Ob solche Sternschnuppen auch Glück bringen? Diese und andere astronomische Fragen lassen sich sicherlich im kommenden Jahr beantworten, dem Internationalen Astronomiejahr. In zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträgen oder geführten Himmelsbeobachtungen soll dann das Weltall für jedermann erlebbar werden.

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