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Genetik: Vorsicht bei 334-Männern

Nicht nur bei Wühlmäusen steuern die Gene das Paarungsverhalten, sondern auch bei Menschen haben sie einen wesentlichen Einfluss. Ein bestimmtes Gen in einer speziellen Ausprägung soll jetzt sogar ein echter Beziehungskiller sein.
Mann und Frau
Bereits seit den 1990er Jahren erforschen Wissenschaftler mit Vorliebe das Paarungsverhalten verschiedener Wühlmausarten. Mittlerweile fanden sie auch genetische Unterschiede, warum zum Bespiel die Wiesenwühlmaus eine polygame Lebensweise bevorzugt, aber die Präriewühlmaus ausschließlich monogam lebt: Die unterschiedliche Umgebung des Gens für die Rezeptoren eines Neuropeptids, dem Vasopressin, ist anscheinend ausschlaggebend.

Präriewühlmaus-Paar | Anders als ihre Vettern sind Präriewühlmäuse (Microtus ochrogaster) monogame Tiere. Gegenüber fremden Weibchen reagieren liierte Männchen sogar aggressiv.
Mehr noch als das Paarungsverhalten der Wühlmäuse interessiert Forscher aber das der Menschen. So gingen jetzt Wissenschaftler um Paul Lichtenstein vom Karolinska-Institut der Frage nach, ob auch hier Gene und Beziehungsvorlieben zusammenhängen. Entsprechend zu der Wühlmaus-Wissenschaftler schauten sie sich die Umgebung des Gens an, das den menschlichen Vasopressin-Rezeptor kodiert. Manch einen mag es beruhigen: Ganz gleich der Präriewühlmaus sind wir nicht – ähnlich allerdings schon. Auch wir haben dort nämlich eine auffällige Region mit hochvariablen Wiederholungen kurzer DNA-Sequenzen.

Aber führen Variationen an dieser Stelle auch zu Unterschieden im Bindungsverhalten? Um das zu beantworten, nahmen die Wissenschaftler die Ergebnisse einer Studie mit 552 Zwillingspaaren und deren Partnern. Darin wurden sowohl der Beziehungsstatus, Treue und Verbundenheit der Ehepartner sowie Eheprobleme, wie auch die genetische Disposition der Studienteilnehmer erhoben. Im Vergleich des Erbgutes fiel ein bestimmter Polymorphismus, die Ausprägung "334", schließlich negativ auf.

Denn Männer mit der Variante 334, immerhin 40 Prozent der Studienteilnehmer, führen seltener glückliche Beziehungen als Männer ohne. Sie sind passenderweise zudem vergleichsweise öfter unverheiratet oder geschieden. Der Genotyp der Männer zeigt sogar einen Zusammenhang dazu, wie deren Frauen die Qualität ihrer Beziehung wahrnehmen – leider mehrheitlich eher schlecht, wenn ihr Mann diese Ausprägung hat.

Ein Todesurteil für alle Beziehungen von und mit 334-Männern ist dies trotzdem nicht. Auch wenn 34 Prozent ihrer Beziehungen kriseln, scheinen die restlichen 66 Prozent zu funktionieren. Bei Männern ohne diese Genvariation sind im Vergleich jedenfalls mehr glücklich, nämlich 85 Prozent.

Der 334-Polymorphismus bekommt schon länger wissenschaftliche Aufmerksamkeit, man vermutet einen Zusammenhang mit Autismus. Diese krankhafte Form des extreme Rückzugs in sich selbst auf der einen sowie die ausgeprägte Fähigkeit zu enger partnerschaftlicher Verbundenheit auf der anderen Seite sind womöglich Extrempunkte menschlicher Interaktion, bei denen jeweils die Ausprägung des Allels 334 eine Rolle spielen könnte. Diese Ausprägung, so spekulieren Wissenschaftler, entscheide mit darüber, wie intensiv Betroffene Kommunikation für notwendig und soziale Kontakte für wünschenswert halten.

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  • Quellen
Walum, H. et al.: Genetic variation in the vasopressin receptor 1a gene (AVPR1A) associates with pair-bonding behavior in humans. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.0803081105, 2008.

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