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Computer: In der Sackgasse

Nahezu jede Woche verkündet ein Forscherteam den nahenden Durchbruch zum Quantencomputer - haben sie doch einen weiteren Baustein oder gar simple Prototypen entwickelt. Alle ihre Kreationen haben allerdings ein gewaltiges Manko: Sie lassen sich nicht zu leistungsfähigen Rechnern ausbauen. Die Suche nach grundsätzlich neuen Lösungen hat längst begonnen.
Überlagerungszustand
Ein Quantencomputer wäre wie ein Paar Siebenmeilenstiefel für das Lösen von Rechenaufgaben: Was einen herkömmlichen Computer unzählige Rechenschritte kostet, könnte er in einem einzigen erledigen. Bestimmte Probleme, für die ein PC eine Ewigkeit bräuchte, würde er blitzschnell lösen, beispielsweise das Zerlegen einer Zahl mit hunderten von Stellen in ihre Primfaktoren oder das Durchforsten gigantischer Datenbanken.

Weltweit basteln Forscher an Quantencomputern und es gibt bereits funktionierende Exemplare in ihren Labors. Den bislang größten anerkannten Quantenrechner haben Physiker der Universität Innsbruck schon 2005 gebaut [1]. Dazu haben sie acht Kalzium-Ionen wie eine Perlenkette aneinandergereiht. Jedes der Ionen stellt eine Speicherzelle des Rechners dar – vergleichbar mit einem elektrischen Schalter in einem klassischen Computer, der zwischen zwei Werten, "ein" und "aus" oder kurz: 1 und 0, umschalten und somit die kleinste mögliche Informationseinheit, das Bit, speichern kann. Moderne Prozessoren brauchen zum Arbeiten fast eine Milliarde solcher Schalter.

Qubyte | Acht Kalzium-Ionen, gefangen in einer Paul-Falle des Innsbrucker Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation
Im Gegensatz zu den elektrischen Schaltern gehorchen Ionen allerdings den seltsamen Gesetzen der Quantenmechanik. Fürs Rechnen ist das ein Vorteil, denn jedes Ion trägt die zwei quantenmechanische Zustände 1 und 0 gleichzeitig, so als wäre der Schalter sowohl an als auch aus. Und das ermöglicht die parallele Verarbeitung von zwei Bits. Bildlich gesprochen kann der Quantenrechner synchron auf beide Seiten einer Münze schauen, während der klassische Rechner zwei Schritte dafür bräuchte, denn er müsste die Münze umdrehen, um ihre Rückseite zu sehen.

Die Fähigkeit quantenmechanischer Teilchen mehrere physikalische Zustände gleichzeitig einzunehmen, bezeichnen Physiker als Superposition. Die Superposition zweier Bits nennen sie Qubit. Viele der Teilchenarten, die sich im Mikrokosmos tummeln, können Qubits tragen und so experimentieren Forscher in aller Welt mit Photonen, Ionen oder neutralen Atomen. Auch Elektronen, die in so genannten Quantenpunkten – das sind winzige Teilchenkäfige innerhalb eines Halbleiters – gefangen sind, taugen als Qubit. Dass sogar ein fehlendes Elektron in einem solchen Quantenpunkt ein Qubit darstellt, zeigten Physiker im Januar 2008 [2]. Denn es hinterlässt eine positiv geladene Fehlstelle, die sich wie ein Teilchen verhält und damit zwei Quanten-Zustände annehmen kann.

Möglichkeiten, Qubits zu erzeugen gibt es also viele. Doch das ist erst die halbe Miete. Um mit ihnen effizient rechnen zu können, müssen die Forscher mehrere Teilchen zu einem einzigen quantenmechanischen Superteilchen, ähnlich einem Molekül, verbinden. Diese so genannte Verschränkung mehrerer Qubits zahlt sich aus: Zwei verschränkte Qubits können alle vier Kombinationen einer Folge von zwei Bits gleichzeitig verarbeiten. Jedes weitere Qubit verdoppelt die Leistungsfähigkeit des Rechners. Die acht miteinander verschränkten Qubits in der Innsbrucker Ionenkette verarbeiten alle 256 Kombinationen einer Folge von acht Bits parallel.

Innsbrucker Ionenfalle | Blick auf die Ionenfalle der Innsbrucker Forscher im Innern der Vakuumkammer
Doch die Kette lässt sich nicht einfach beliebig verlängern. "Würden wir sie auch nur ein weiteres Kalzium-Ion anhängen, könnten wir nur mit immensem Aufwand überprüfen, ob die Ionen tatsächlich verschränkt sind“, sagt Rainer Blatt, Leiter der Innsbrucker Gruppe. Schon für den Nachweis, dass acht Ionen verschränkt sind, mussten die Innsbrucker 650 000 Messungen durchführen. Jedes weitere Qubit würde diesen Aufwand noch vervielfachen.

Andere Forscher haben ähnliche Probleme. Physiker der Universität Wien haben einen Quantencomputer aus vier verschränkten Photonen gebaut. "Es wäre zwar technisch kein Problem noch wesentlich mehr Photonen miteinander zu verschränken“, berichtet Markus Aspelmeyer von der Universität Wien, "doch wir könnten dann die Rechenergebnisse nicht mehr auslesen."

Die Forscher laden ihre Resultate mit Hilfe von Photonen aus dem Rechner. Mehr Qubits würden den Strom von Auslese-Photonen verstärken, sodass die Detektoren wegen ihrer begrenzten Empfindlichkeit Photonen übersehen würden. Wenn das passiert, muss der Rechenvorgang wiederholt werden. Dieses Problem wäre zwar mit Detektoren lösbar, die empfindlich genug sind, um jedes einzelne der ankommenden Photonen zu registrieren. Doch ihr Einsatz würde den Versuchsaufbau erheblich verkomplizieren.

"So eine Maschine wird es frühestens in zehn Jahren geben"
(Rainer Blatt)
Bislang realisierte Quantenrechner sind also nicht skalierbar, das heißt sie lassen sich nicht ausbauen, ohne dass der dafür nötige Aufwand aus dem Ruder läuft. In der Fachwelt gilt die Skalierbarkeit aber als eine Grundvoraussetzung für einen nutzbaren Quantencomputer. Die Forscher brauchen also neue Ideen, denn ein Rechner, der effizient in Datenbanken sucht, benötigt dafür Hunderte von untereinander verschränkten Qubits. "So eine Maschine wird es frühestens in zehn Jahren geben", sagt Blatt.

Andere sind da viel optimistischer: Die kanadische Firma D-Wave-Systems kündigte einen Quantenrechner mit 1024 Qubits schon für Ende 2008 an. Bereits im November des Vorjahres teilte das Unternehmen mit, einen Quantenchip mit 28 Qubits gebaut zu haben. Die Qubits bestehen aus winzigen supraleitenden Schleifen aus dem Metall Niob. In diesen kann der Strom gleichzeitig im Uhrzeigersinn (1) und dagegen (0) fließen – der Stromfluss entspricht also einer quantenmechanischen Superposition.

Doch die Fachwelt ist skeptisch, denn die Firma erklärt nicht, wie ihr Rechner funktioniert. Blatt bezweifelt, dass es sich um einen vollwertigen Quantencomputer handelt: "Der Chip kann vermutlich nur eine bestimmte Optimierungsaufgabe lösen, die sich auch mit klassischen Rechnern effektiv ausführen lässt." Blatts Vision für die nahe Zukunft ist viel bescheidener: "Kleine Quantencomputer werden lediglich in den Forschungslabors eingesetzt werden, zum Beispiel, um präziser zu messen als heute möglich oder um Kristalle zu simulieren."

Optisches Gitter | Die Wissenschaftler fixierten Rubidium-Atome in einem Gitter aus überlagerten Laserstrahlen, das an einen Eierkarton erinnert. Im Zentrum sitzt an jedem Gitterplatz ein Molekül (rot), am Rand besetzen einzelne Rubidiumatome die Plätze (gelb). In Wirklichkeit fangen die Garchinger Physiker mehrere Zehntausend Atome in dem Gitter.
Letzteres haben Physiker des Max-Planck-Institutes für Quantenoptik (MPQ) in Garching im Juli 2007 bereits geschafft, indem sie Rubidiumatome in einem optischen Gitter einfingen [3]. Ein solches Gitter entsteht durch das Kreuzen von drei Laserstrahlen, die aus senkrecht zueinander stehenden Richtungen kommen. Die Überlagerung der Strahlen erzeugt ein Lichtfeld, das an gestapelte Eierkartons erinnert.

Die Rubidium-Atome wandern in die Tröge der Kartons und ordnen sich so zu einem regelmäßigen Gitter wie in einem Kristall. Anders als in einem echten Kristall lässt sich die Wechselwirkung zwischen den Rubidium-Atomen regeln, indem man die Laserleistung variiert. So haben die Forscher eine Stellschraube in der Hand, die ihnen helfen kann, die Eigenschaften von Festkörpern zu erforschen.

Diese Stellschraube bietet auch Möglichkeiten für einen neuartigen Quantencomputer: Mit ihr könnten die Forscher um Gerhard Rempe Tausende von Rubidiumatom-Paaren, die jeweils in einem Trog liegen, gleichzeitig miteinander verschränken. Die Garchinger Technik könnte also auf Knopfdruck sehr viele verschränkte Qubit-Paare erzeugen, die ein Quantencomputer zum Rechnen benutzen könnte.

"Es wird unterschiedliche Quantencomputer für unterschiedliche Aufgaben geben, ähnlich wie wir heute Auto, Bahn, Flugzeug und Fahrrad nebeneinander nutzen"
(Gerhard Rempe)
"Eine große Menge der Qubit-Paare wäre eine schnell verfügbare Ressource für die Verarbeitung von Information", kommentiert Blatt. Mit Hilfe neuer Rechenverfahren könnten Quantencomputer die Paare nutzen und es müssten nicht mehr viele Qubits untereinander verschränkt werden. Aber selbst das lässt sich mit einem optischen Gitter machen: MPQ-Forscher um Immanuel Bloch haben es genutzt, um 10 000 Rubidium-Atome im Handumdrehen untereinander zu verschränken [4].

Für Gerhard Rempe zeigen die Techniken, dass sich stets neue Wege zum Quantencomputer auftun können. Er glaubt deshalb nicht, dass es eine einzige Schlüsseltechnik gibt, die sich allein durchsetzen wird: "Vielmehr wird es unterschiedliche Quantencomputer für unterschiedliche Aufgaben geben, ähnlich wie wir heute Auto, Bahn, Flugzeug und Fahrrad nebeneinander nutzen."

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