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News: Dicker Brocken

Fotografiert wurde er schon vor zwanzig Jahren, identifiziert jedoch erst jetzt. Quaoar ist der bislang dickste Brocken im Kuiper-Gürtel und ein weiteres Argument dafür, dass Pluto nicht zu den Planeten gehört.
Quaoar
"Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten": Seit Kindesbeinen hilft uns diese Eselsbrücke, in Gedanken die neun Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto aufzureihen. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass niemand daran dächte, daran zu rühren. Aus wissenschaftlicher, also unsentimentaler Sicht indes liegt die Sache anders. Denn Pluto und sein Mond Charon gehören wohl gar nicht zu den Planeten, sondern sind einfach eingefangene Brocken aus dem Kuiper-Gürtel.

Dieser, nach dem niederländischen Astronomen Gerard Peter Kuiper (1905-1973) benannte Ring ist Heimat der meisten Kometen und umgibt das ganze Sonnensystem jenseits des Neptun. Hier kreisen unzählige mehr oder weniger großen Gesteins- und Eisbrocken, immerhin rund 70 000 davon erreichen mehr als 100 Kilometer Durchmesser.

Mehr als zehnmal so groß ist das neueste und - abgesehen von Pluto und Charon - größte Objekt des Kuiper-Gürtels, welches Chad Trujillo und Mike Brown vom California Institute of Technology in Pasadena kürzlich entdeckten und nach der Schöpfergestalt des Tongva-Stammes benannten, der vor der Ankunft der Europäer die Region um Los Angeles besiedelte. Der am 4. Juni durch das Oschin Telescope am Palomar Observatory beobachtete, rund 1250 Kilometer große Quaoar kreist noch jenseits des nur knapp doppelt so großen Pluto, in ungefähr sechs Milliarden Kilometern oder knapp sechs Lichtstunden Entfernung um die Sonne.

Dass der Brocken nicht längst entdeckt wurde, liegt an seiner dunklen Oberfläche. Weil sich Quaoar entlang einer ziemlich kreisförmigen Bahn bewegt, nähert er sich - anders als Pluto - der Sonne niemals soweit, dass seine flüchtigen Bestandteile eine reflektierende Atmosphäre formen können. Stattdessen sind diese organischen Substanzen durch den äonenlangen Beschuss mit ultravioletter Strahlung zu einem dunklen, teerartigen Belag verbacken. Während Pluto immerhin eine Albedo von 60 Prozent aufweist, wirft Quaoar nur zehn Prozent des Sonnenlichts zurück.

Noch birgt Quaoar zahlreiche Geheimnisse. Immerhin wissen die Forscher bereits, dass das Jahr dort 285 Erdenjahre dauert und die Ebene seiner Umlaufbahn gegenüber den anderen Planetenebenen um fast acht Grad geneigt ist. Zum Vergleich: Die Plutobahn hat 17 Grad Neigung. Wie schnell sich Quaoar dreht, wie lange also ein Tag dauert, das müssen zukünftige Messungen klären. Dann werden wir auch wissen, ob die Achse des fernen Objekts geneigt ist und es somit Jahreszeiten gibt.

Dass Trujillo und Brown Quaoar erst jetzt entdeckten, heißt nicht, dass sie das Objekt zum ersten Mal aufnahmen. Denn schon 1982 - das ergaben jetzt die Recherchen der beiden Forscher - hatte Charlie Kowal, der seinerzeit gleichfalls am California Institute of Technology tätig war, auf der Suche nach dem ominösen Planeten X das Objekt aufs Bild gebannt. Dreimal tauchte Quaoar in den nachfolgenden Jahrzehnten noch auf Bildern auf und ermöglichte Trujillo und Brown so immerhin erste Bahnberechnungen.

Eines ist jedenfalls schon jetzt klar: Quaoar ist kein Planet. Vielmehr gehört er zu den Resten, die nach der Entstehung der Planeten übrig blieben und jetzt sowohl im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter als auch im Kuiper-Gürtel jenseits der Neptunbahn um die Sonne kreisen.

Dieser Umstand ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die auch Pluto und Charon nicht in der Reihe der Planeten und Monde sehen. Es sei nur dem mächtigen Schwerefeld des Neptun zu verdanken, dass der im Vergleich zu den riesenhaften äußeren Planeten winzige Pluto mit seinem Mond seinen angestammten Platz im Kuiper-Gürtel verlassen konnte. Alles in allem und aus wissenschaftlicher Sicht haben sie wohl Recht. Allein, wen kümmert's? Auch in Zukunft wird sonntags von neun Planeten die Rede sein - ganz bestimmt.

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