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Der Mensch – Evolution, Natur und Kultur

Der Neurobiologe Jochen Oehler hat es verstanden, unter dem Titel "Der Mensch – Evolution, Natur und Kultur" sehr verschiedene Sichtweisen zu unserem heutigen Menschenbild zusammenzustellen. Von 21 Autoren verschiedener Disziplinen werden die wesentlichen Aspekte der conditio humana diskutiert, wobei die Philosophen die größte Fraktion darstellen.

Es ist faszinierend zu lesen, wie Volker Sommer, Anthropologe und Primatenforscher, für die Großen Menschenaffen einige Menschenrechte reklamiert und dafür wirbt, sie als "Personen" anzusehen. Der Psychologe Frank Schwab kritisiert die Annahme, der menschliche Geist sei ein unbeschriebenes Blatt. Man dürfe nicht die evolvierte menschliche Natur ausblenden und nur auf die aktuelle und ontogenetische Umwelt und das soziale Milieu als Determinanten menschlichen Verhaltens fokussieren. Es wird spannend sein zu sehen, wie dieser Gedanke in der Pädagogik und verwandten Bereichen zu Ende gedacht und umgesetzt wird.

Eine zentrale Frage ist auch die nach den evolutionären Grundlagen von Kultur und Zivilisation, nach Gottesglaube und Willensfreiheit. Der Verhaltensbiologe Bernhard Verbeck vertritt die These, dass unser Genom das Entstehen von unterschiedlichen Gemeinschaften, Kulturen und Zivilisationen zulässt – es steht aber (im Gegensatz zu den Termiten) nicht im Genom, wie unsere Bauten auszusehen haben. Und an anderer Stelle geht es ihm ganz vorsichtig um die Frage, ob die Möglichkeit, fromm zu werden, als selektionsbewährte Angepasstheit betrachtet werden könnte. Allerdings – das hebt Marie Kaiser hervor – können evolutionsbiologische Erkenntnisse nicht die Grundlage für die Begründung von Normen bilden, sie können aber den Rahmen abstecken, innerhalb dessen moralische Normen gerechtfertigt werden.

Sicherlich kann – das schreibt der Herausgeber in seiner Einführung – der Band keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn auch Neuro- und Verhaltensgenetiker und molekulare Anthropologen zu Wort kommen. Aber die Diskussion ist ja noch lange nicht abgeschlossen. Und für Leser, die sich über die philosophischen und kulturellen Aspekte der Evolution des Menschen informieren möchten, ist der Band sehr empfehlenswert.

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  • Quellen
BIOspektrum 3/2011

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