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Ig-Nobelpreise 2009 : Wissenschaft mit Augenzwinkern

Alljährlich würdigt die Ig-Nobeljury die kuriose Seite der Wissenschaft. "Erst lachen, dann nachdenken", so ihr Motto. In allen Fällen gelingt das allerdings nicht.
Ig-Nobelpreise
Eine volle Flasche Bier ist schwerer als ein leere Bierflasche. Klar. Aber welche von beiden zertrümmert den menschlichen Schädel effektiver? Diese Frage gingen Stephan Bollinger vom Institut für forensische Medizin an der Universität Bern und seine Kollegen nach. Mit Modelliermasse fixierten sie volle und leere 0,5-Liter-Flaschen der Feldschlösschen Brauerei in einer Badewanne, befestigten jeweils einen Holzblock darauf und ließen kilogrammschwere Stahlkugeln auf das Flaschen-Holz-Konstrukt fallen – mal aus zwei, mal aus vier Metern Höhe. Und siehe da: Volle Flaschen zerbersten bei einer Energie von 30 Joule, leere Flaschen erst bei 40 Joule.

Und was lernen wir nun daraus? Sollen wir lieber zu leeren Bierflaschen greifen, wenn wir mal wieder jemandem den Schädel zerdeppern wollen? Hoffentlich nicht. Jedenfalls sind sich die Forscher sicher, dass letztlich beide "Waffen" die schwächeren Schädelpartien zersplittern würden. Ach ja, dafür gab es übrigens den Ig-Friedensnobelpreis [1].

Wesentlich friedfertiger setzten die diesjährigen Physik-Ig-Nobelpreisträger ihr Wissen ein. Katherine Whitcome von der University of Cincinnati, Ohio, und ihr Team fanden nämlich heraus, warum schwangere Frauen nicht umkippen. Ihr Geheimnis: spezielle Lendenwirbel. Diese erlauben es, das untere Rückrat stärker zu krümmen als die männlichen Kollegen es je könnten, wodurch sich der obere Teil des Rumpfes nach hinten verlagern lässt und ihr Körper während der Schwangerschaft besser das Gleichgewicht halten kann [2]. Im Lauf der Evolution hatte sich das weibliche Skelett so an die instabilen Verhältnisse eines Zweibeiners angepasst, verraten die Wissenschaftler.

Ob die Mütter ihrem Kind später allerdings mehr Milch geben, wenn man sie häufig bei ihrem Namen nennt, das bleibt vorerst fragwürdig. Bei Kühen jedenfalls funktioniert es. Für den Beweis erhielten Catherine Douglas und Peter Rowlinson von der Newcastle University jetzt den Ig-Nobelpreis für Veterinärmedizin. 516 Milchbauern hatten sie besucht und dabei bemerkt, dass die Kühe deutlich mehr Milch liefern, wenn der Bauer auf Du und Du mit seinen Tieren ist. Denn der persönliche Umgang mache die Kühe glücklicher, und das wirke sich positiv auf die Milchproduktion aus – im Schnitt gaben sie 258 Liter mehr pro Jahr als ihre namenlosen Artgenossen [3].

Nicht Liter, sondern nur wenige Tropfen Tequila haben Javier Morales von der Universidad Nacional Autónoma de México und Co den Ig-Nobelpreis für Chemie eingebracht. Denn daraus stellten die Forscher eine hauchdünne Diamantschicht her. Die Forscher verdampften die 40-prozentige Spirituose und gaben sie pulsweise in eine Druckkammer. Dort kristallisierten die Kohlenstoffatome dann auf einer extrem heißen Oberfläche – und das tatsächlich in einer Diamantstruktur [4]. Die Methode funktioniert zwar schon längst auch mit anderen organischen Stoffen, aber der Schnaps macht das ganze dann doch irgendwie attraktiver.

Zweckentfremdet haben auch Elena Bodnars und einige andere Mediziner von der University of Chicago. Sie ersannen einen Büstenhalter, der sich im Notfall geschwind in zwei Atemmasken umfunktionieren lässt [5]. Für diese Idee erhielten die Wissenschaftler nun den Ig-Nobelpreis für Gesundheitswissenschaften.

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  • Quellen
[1] Bolliger, S. A. et al.: Are full or empty beer bottles sturdier and does their fracture-threshold suffice to break the human skull?. In: Journal of Forensic and Legal Medicine 16, S. 138, 2008.
[2] Whitcome, K. K. et al.: Fetal load and the evolution of lumbar lordosis in bipedal hominins. In: Nature 450, 1075–1078, 2007.
[3] Bertenshaw, C., Rowlinson, P.: Exploring Stock Managers' Perceptions of the Human-Animal Relationship on Dairy Farms and an Association with Milk Production. In: Anthrozoos: A Multidisciplinary Journal of The Interactions of People & Animals 22, S. 59–69, 2009.
[4] Morales, J. et al.: Growth of Diamond Films from Tequila. In: arXiv: 0806.1485, 2008.
[5] Bodnar, E. N. et al.: U.S. patent # 7255627: Garment device convertible to one or more facemasks.

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